Abschlussarbeit

an der Rhein-Ruhr-Akademie Rogasch

für Homöopathik & Miasmatik

 

Die Heilbarkeit von Tumoren mit homöopathischen Mitteln

 

I. Einleitung:

Die Schulmedizin ist trotz bildgebender Verfahren und mikroinvasiver Methoden bis heute in der Behandlung von Tumoren noch nicht wesentlich weiter gekommen, es werden immer noch Stahl, Strahl und Chemie eingesetzt.

Bei der Behandlung konzentriert man sich nur auf den Tumor, also auf das sichtbare Resultat, und nicht auf die Gesamerkrankung des Organismus.

In der Onkologie geht man dazu über, die Tumorbildung als Erkrankung des Gesamtorganismus zu sehen. Trotzdem kann diese Erkenntnis zu keiner Heilung führen, denn es liegt keine Therapieform vor, um den gesamten Organismus positiv zu beeinflussen.

Beeindruckende Mengen von Man-Power und Millionen von Euro werden jährlich ausgegeben, um greifbare (materielle) Ursachen für das unkontrollierte Wachstum zu erforschen. Immer noch werden chemische, physikalische Noxen oder auch Viren für die Inaktivierung der Tumorsuppressorgene und Differenzierungsgene oder die Aktivierung von Entwicklungskontrollgenen für die Tumorentstehung verantwortlich gemacht.

Viel zu Wenigen ist aber bewusst, dass der lebende Organismus ein gesteuertes System ist. Jedes Organ, jede Zelle, selbst jedes Molekül erhält ihr energetisches Steuersignal, das natürlich nicht in der materiellen Ebene des Organismus nachzuweisen ist. Die Steuerungszentrale steht über der materiellen Ebene und muss über ihr stehen, weil von ihr die Materie reguliert wird.

Die moderne Transplantationsmedizin erhält hin und wieder in der Nachsorge ihrer Patienten den Beweis für dieses existierende Steuerungszentrum des Gesamtorganismus. Der sogenannte Bleyberg-Effekt sollte zum Nachdenken anregen: Bleyberg war der Erste, der von Prof. Barnard ein Herz transplantiert bekommen hat. Als Bleyberg einige Zeit später starb, stellte man bei der Obduktion fest, dass sein neues Herz an den selben Stellen und auf die selbe Art und Weise wie sein altes Herz geschädigt war. Bei vielen Transplantierten musste dieser Bleyberg-Effekt festgestellt werden. Das sollte doch Beweis genug sein, dass diese neuen Organe wieder unentwegt die falschen Steuerungssignale erhielten, und dies wieder zur Destruktion führte. Die relevante Störung liegt also in der Steuerungszentrale. Diese Erkenntnis ist nun mehr als zweihundert Jahre alt und wurde von Dr. Samuel Hahnemann entdeckt. In den §§ 9 – 11 des Organon der Heilkunst beschreibt er diese Erkenntnis besonders treffend:

„Im gesunden Zustande des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Theile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Thätigkeiten, so daß unser inwohnende, vernünftige Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem höhern Zwecke unsers Daseyns bedienen kann.

Der materielle Organism, ohne Lebenskraft gedacht, ist keiner Empfindung, keiner Thätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig; (Er ist todt und, nun bloß der Macht der physischen Außenwelt unterworfen, fault er und wird wieder in seine chemischen Bestandtheile aufgelöst) nur das immaterielle, den materiellen Organism im gesunden und kranken Zustande belebende Wesen (das Lebensprincip, die Lebenskraft) verleiht ihm alle Empfindung und bewirkt seine Lebensverrichtungen."

Wenn der Mensch erkrankt, so ist ursprünglich nur diese geistartige, in seinem Organism überall anwesende, selbstthätige Lebenskraft (Lebensprincip) durch den, dem Leben feindlichen, dynamischen Einfluß eines krankmachenden Agens verstimmt; nur das zu einer solchen Innormalität verstimmte Lebensprincip, kann dem Organism die widrigen Empfindungen verleihen und ihn zu so regelwidrigen  Thätigkeiten bestimmen, die wir Krankheit nennen, denn dieses, an sich unsichtbare und bloß an seinen Wirkungen im Organism erkennbare Kraftwesen, giebt seine krankhafte Verstimmung nur durch Aeußerung von Krankheit in Gefühlen und Thätigkeiten, (die einzige, den Sinnen des Beobachters und Heilkünstlers zugekehrte Seite des Organism), das ist, durch Krankheits-Symptomen zu erkennen und kann sie nicht anders zu erkennen geben.“

Daraus lernen wir, dass Krankheit in erster Linie eine energetische Störung der Lebenskraft ist, und dass die lokalen Veränderungen im Körper auf Grund dieser pathologischen Steuerungsimpulse zustande kommen. Wirkliche Heilung kann dann nur von der Instanz ausgehen, die sie auch hervor gerufen hat, der Lebenskraft. Das bloße Abschneiden eines Tumors kann die Steuerungszentrale nicht heilen, im Gegenteil, es wird den Körper anfachen, neue Auswüchse zu bilden. Dr. Burnett hat dazu einen genialen Metapher geprägt: "Aber einen Apfel wegzuschneiden, heilt einen Apfelbaum nicht davon, dass er Äpfel wachsen lässt“.

Die Lebenskraft ist von geistartiger, dynamischer oder energetischer Qualität und kann nur durch dynamische oder energetische Mittel beeinflusst werden. Durch die von Hahnemann entwickelte Methode des Dynamisierens oder Potenzierens der Arzneimittel werden diese entmaterialisiert und energetisiert, und können somit auf die Steuerungszentrale einwirken, ohne gleichzeitig giftig oder zerstörerisch zu sein.

Mit dem Potenzieren wandelt sich das einzelne Mittel nicht nur substanziell, sondern auch qualitativ, d.h. es muss anders als ein Pharmakon angewendet werden. So lange ein Mittel Materie enthält, muss es nach den Gesetzen der Chemie dosiert werden, ist es aber entmaterialisiert und energetisiert, wirkt es nach Gesetzen, die im energetischen Bereich gültig und völlig anders sind. Hahnemann stellte in jahrzehntelanger Forschung fest, dass nur das Arzneimittel (sowohl in tiefer als auch in hoher Potenz) heilend wirkt, das genau zu der Symptomatik des Patienten passt. Jedes in der Homöopathie eingesetzte Mittel kann nämlich, wenn es an gesunden Menschen „geprüft“ wird, künstlich eine bestimmte, nur diesem Mittel eigene Symptomatik hervorbringen. Der Prüfer wird an sich und die anderen an ihm Symptome feststellen, die er als Gesunder nicht hatte. Es zeigt sich eine sogenannte Kunstkrankheit. Will man eine natürliche Krankheit auslöschen, dann muss man durch Gabe eines ähnlichen Mittels (Simile) eine Kunstkrankheit in dem Patienten erzeugen, die die natürliche Krankheit aufhebt. Jetzt wird klar, warum homöopathische Arzneimittel so genau ausgesucht werden müssen. Mit Hahnemanns Worten: „Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll!“ (Organon der Heilkunst, Einleitung)

Es können aber nicht einfach alle Symptome des Patienten zur Mittelwahl verwendet werden. Denn viele Mittel sind bei einer großen Anzahl von Symptomen ähnlich, besonders, wenn es sich dabei um sogenannte Allgemeinsymptome handelt. Leidet jemand unter einem grippalen Infekt, dann wird er eine Menge Symptome, die bei einer solchen Krankheit üblich sind entwickeln, wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gliederschmerzen usw. Fast alle Patienten, die an solch einer Krankheit leiden, weisen auch solche Symptome auf, und fast alle Mittel, die solche Krankheitszustände heilen, erzeugen in der Prüfung diese Symptome. Es kann daher aus den vielen Mitteln, die in Frage kommen, nur schwer das passende Mittel ausgesucht werden. Hahnemann fand sehr schnell heraus, wie man in dieser Situation die richtige Wahl trifft. Jeder Patient bringt neben den allgemeinen und üblichen Symptomen noch sehr individuelle und charakteristische Symptome hervor, und diese sind für die Mittelwahl am wichtigsten. Er formuliert mit dieser Erkenntnis den § 153 im Organon der Heilkunst.

Bei akuten Krankheiten können diese „auffallenderen, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigentheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome“ noch sehr deutlich sein und direkt zur Mittelwahl führen.

Bei chronischen Krankheiten sieht das meist ganz anders aus. Hier muss die Mittelwahl oft an Hand anderer Symptome erfolgen, weil die Ähnlichkeiten nicht an der Oberfläche, sondern viel tiefer liegen. Es gilt zwar nach wie vor das Ähnlichkeitsgesetz (similia similibus curantur), und auch der § 153 hat Gültigkeit, aber das Auffallende und Ungewöhnliche liegt nicht mehr so offen wie bei den akuten Krankheiten.

Hahnemann hat aus seiner Erfahrung heraus, dass bestimmte Mittel bei der Behandlung von chronischen Krankheiten nur vordergründig oder palliativ wirkten, seine Lehre von den chronischen Krankheiten entwickelt. Schwere chronische Krankheiten wie Asthma, Rheuma, Neurodermitis oder Tumorbildung sind ohne dieses Wissen homöopathisch nicht zu heilen.

1828 –1830 verfasste Hahnemann seine Lehre, und brachte das Werk heraus: „Die chronischen Krankheiten“. Darin postuliert er:

1.  Es gibt drei chronische Krankheiten:
Psora, Sycosis und Syphilis.

2.  Unter den vielen homöopathischen Mitteln gibt es nur wenige und ganz bestimmte, die diese Krankheiten heilen können.

Laut Hahnemann laufen die chronischen Krankheiten nach einem bestimmten Schema ab. Im Gegensatz zu den akuten Krankheiten, die einen Anfang, eine Krisis und ein Ende (gut oder fatal) haben, läuft die chronische Krankheit unaufhaltsam in die Destruktion.

Der Urtyp chronischer Krankheit war für ihn die Syphilis. Sie hat einen Anfang durch die Infektion, auf die nach einer kurzen Zeit der Inkubation der Organismus ein Lokalübel setzt. Verschwindet dieses Lokalübel, dann geht die Krankheit in ein Latenzstadium, taucht irgendwann im zweiten Stadium wieder auf, geht wieder in Latenz und so weiter... . Sie schreitet so unaufhaltsam destruierend fort. Interessant und für die Behandlung chronischer Krankheiten von ungeheurer Wichtigkeit ist die Beobachtung Hahnemanns, dass die jeweiligen Lokalübel eine große Bedeutung als vorläufige (aber nicht ausreichende) Abwehrmaßnahme des Organismus haben. Die Lebenskraft versucht damit, die Krankheitsprozesse an die Peripherie des Organismus zu bringen, wo sie zentrale Lebensvorgänge nicht stören. So lange diese Lokalübel unangetastet bleiben, schreitet die Krankheit wesentlich langsamer voran, als bei ihrer Unterdrückung (Entfernung der Lokalübel). Eine Beseitigung durch chirurgische Eingriffe, durch Salben oder andere Maßnahmen beschleunigt das Fortschreiten der Krankheit rapide.

Neben der Lues gibt es noch eine zweite venerische Krankheit, die nach demselben Schema verläuft, aber andere Auswirkungen hat: die Sycosis. Sie nimmt ihren Ausgang von der Gonorrhoe. Auch die Sycosis wechselt zwischen aktiven - und Latenzstadien und verläuft über Ausscheidungs- und Entzündungsstadium bis zur Degeneration. Bildung von Warzen und Tumoren aller Art bis hin zu Malignität ist immer ein sycotisches Element.

Die dritte chronische Krankheit ist keine venerische Krankheit, Hahnemann nannte sie Psora. Er bezeichnet sie als die Urmutter aller Krankheiten, d. h. ohne sie gibt es keine Syphilis oder Sycosis oder andere chronische Erscheinungen. Sie muss immer zuerst da sein, dann können sich auch die anderen einnisten. Die Psora geht auf die Infektionskrankheit Krätze zurück und kann in ihren verschiedenen Stadien so gut wie alle Krankheitserscheinungen verursachen.

Hahnemann nannte die chronischen Krankheiten auch chronische oder erworbene Miasmen, weil man sie durch Ansteckung erwerben kann.

Er hat noch eine weitere Krankheit hinzugefügt: die Arzneimittelkrankheit (Organon §§ 74 - 76), das Iatrogene Miasma. Dabei wird die Lebenskraft durch das Bombardement von allopathischen Mitteln wie auch der Gebrauch heftiger, heroischer Medikamente „verstimmt“.

Im § 75 des Organon schreibt er zur Behandlung: „Diese, durch die allöopathische Unheilkunst, (am schlimmsten in den neueren Zeiten) hervorgebrachten Verhunzungen des menschlichen Befindens, sind unter allen chronischen Krankheiten die traurigsten, die unheilbarsten, und ich bedaure, daß, wenn sie zu einiger Höhe getrieben worden sind, wohl nie Heilmittel für sie scheinen erfunden oder erdacht werden zu können.“

Nach Hahnemann wurde diese Lehre von nachfolgenden Homöopathen noch um einige wesentliche Punkte erweitert. Sie fügten das tuberkulinische Miasma, das auf die Infektionskrankheit Tuberkulose zurück geht, hinzu und fanden heraus, dass die Miasmen nicht nur durch Ansteckung erworben werden können, sondern auch durch Vererbung an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können. Die Zahl der Arzneimittel, die sich zur Behandlung von chronischen Krankheiten eignet, wurde um einige tiefgreifende Mittel nach Prüfung erweitert.

Die chronischen Miasmen Psora, Syphilis, Sycosis, Tuberkulinie und die Arzneimittelkrankheit sind die Ursache für Tausende verschiedener Erkrankungen, denen die Schulmedizin jeweils einen anderen Namen gibt.

Bei den epidemischen Krankheiten machte Hahnemann häufig die Beobachtung, dass alle Erkrankten ein einziges Homöopathicum zur Heilung brauchten. Obwohl sie unterschiedliche individuelle Symptome aufwiesen, so waren diese nur Teilsymptome aus dem Arzneimittelbild eines einzigen Mittels. Findet der Therapeut bei einer solchen epidemischen Krankheit nach der Untersuchung seiner ersten Patienten heraus, dass sie alle ein Mittel brauchen, dann hat er den Genius epidemicus erkannt, und kann das entsprechende Mittel sogar prophylaktisch verschreiben.

Wie bei den epidemischen Krankheiten suchte Hahnemann jetzt für jede „Chronische Krankheit“ ein einziges, tiefwirkendes Mittel, mit dem sie geheilt werden kann. So glaubte er, mit Mercurius die Syphilis zu heilen, die Sycosis mit Thuja und die Psora mit Sulfur auszulöschen. Er musste dann doch erkennen, dass man nicht mit einem Mittel für je ein Miasma auskam, sondern dass es mehrere waren, die miasmaspezifisch heilen konnten. Doch es kristallisierte sich heraus, dass aus der großen Zahl homöopathischer Mittel (ca. 2.500) nur jeweils eine kleine Gruppe von Mitteln für die Heilung eines Miasmas in Frage kam. Nur diese Mittel haben die Kraft, Syphilis, Sycosis, Psora oder Tuberkulinie zu heilen. Man nennt sie Antimiasmatica.

In der Mehrzahl der Fälle sind bei den Patienten nicht nur ein, sondern gleich zwei oder mehrere Miasmen in Kombination vorhanden. Dadurch werden die auftretenden Krankheitserscheinungen immer schwerer und destruktiver. Tumorbildung ist ein multimiasmatisches Geschehen von wenigstens drei Miasmen, wobei die Sycosis auf jeden Fall eine von den dreien ist. Da die Miasmen auch vererbt werden können, ist es erklärlich, dass auch Kinder an Krebs erkranken können.

Für die Heilung der Miasmen muss man Monate und Jahre veranschlagen, je nach der Anzahl der vorhandenen Miasmen und der Stärke ihrer Verflechtung. Im Allgemeinen muss man die Miasmen einzeln abtragen und mit dem beginnen, das gerade aktiv ist. In den meisten Fällen sind nicht alle beteiligten Miasmen sichtbar, sondern nur aus der Gesamtsymptomatik des Lebens des Patienten und seiner Vorfahren erkennbar, aber eines von ihnen befindet sich an der Oberfläche. Es offenbart sich durch eine diskrete, aber miasmatypische Symptomatik. Ist das angezeigte Miasma erkannt, dann muss nach weiteren miasmaspezifische Symptomen gefahndet werden, um aus der Gruppe der Antimiasmatica das passende Einstiegsmittel zu finden. Trifft man dabei das richtige Mittel, dann rollt sich der Fall ganz automatisch auf, d.h. nach einiger Zeit werden sich unter stetiger Besserung der Symptome neue und andere Symptome zeigen, die für das nächste vorhandene Miasma typisch sind und einen Wechsel zu einem anderen Mittel verlangen.

Tumorbildung und Krebs sind immer Krankheitserscheinungen aus dem Endstadium der Miasmen. Leider nimmt die individuelle Symptomatik eines Patienten, die ja nach § 153 des Organon am besten eine Mittelwahl erlaubt, immer mehr ab, je näher die Krankheit dem Endstadium kommt. Es gibt dann zwar noch die lokal Symptomatik, die durch den oder die Tumoren verursacht wird, aber ganz selten nur findet man charakteristische Zeichen und Symptome. In den meisten Fällen ist auch der Schmerzcharakter nicht zu verwerten, da große Mengen von Analgetika eingesetzt werden. Wenn man Glück hat, zeigt die Vorgeschichte des Patienten einen Weg auf. Burnett und Clarke liefern viele Kasuistiken, bei denen mehrere Impfungen, von denen einige sogar nicht „angegangen“ waren, in den Jahren vor Ausbruch der Tumorbildungen stattgefunden hatten, und deshalb konnten sie mit Thuja als Hauptmittel erfolgreich sein.

Mit der obigen Feststellung „Tumorbildung und Krebs sind immer Krankheitserscheinungen aus dem Endstadium der Miasmen“ ergibt sich ein bedeutendes Problem in der Homöopathie. Grundlage der Arzneimittelbilder sind die Arzneimittelprüfungen an gesunden Personen, und es ist verständlich, dass niemand bereit ist, Arzneimittelprüfungen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg durchzuführen, bis es zur Entstehung von Tumoren kommt. Stattdessen muss hier die klinische Erfahrung weiterhelfen. Burnett beschreibt im Kapitel IV seiner Veröffentlichung „Die Heilbarkeit von Tumoren durch Arzneimittel“ eine eindrucksvolle Geschichte, wie durch einen Zufall Tiere zu Arzneimittelprüfern wurden.

„Dr. G. Wilkinson machte einmal Urlaub in Island und beobachtete, dass die Tiere, die auf den Weiden grasten, auf die die feine Asche des Mount Hekla fällt, an riesigen maxillaren und anderen Exostosen litten. Da er ein Anhänger des wissenschaftlichen Systems der Medizin war, das für uns durch Samuel Hahnemann begründet wurde, brachte er Hekla Lava mit nach Hause, und sie wurde immer erfolgreich angewandt, um Affektionen zu heilen, die jenen ähnlich waren, die sie zu verursachen in der Lage ist.“

Dies beweist, dass eine krankhafte Anatomie als Grundlage für das Verschreiben nach homöopathischen Grundsätzen bei der Behandlung von Tumoren mit Arzneien genommen werden kann. Dieses Vorgehen beschreibt Burnett als außerordentlich wichtig, weil viele es ablehnen und behaupten, allein die Totalität der Symptome als Grundlage für eine wahre homöopathische Verschreibung dienen muss. Dieser Fall beweist ebenfalls, dass Tiere als Prüfer herangezogen werden können - natürlich nur aufgrund der krankhaften Anatomie.

Hahnemann hatte ja schon herausgefunden, dass nicht alle, sondern nur bestimmte Mittel die Kraft haben, Miasmen zu heilen. Und er wusste auch, dass bei kombinierten chronischen Miasmen selten ein Mittel allein den Erfolg bringt, sondern eine wohlabgewogene Folge von Mitteln notwendig ist, um zur Heilung zu gelangen. Das gilt dann erst recht für die Tumorbildung und den Krebs. Seine Nachfolger haben durch neue Prüfungen und durch klinische Versuche noch manche tiefgreifenden Mittel dem homöopathischen Arzneispektrum hinzufügen können. Eine bedeutende Rolle spielen dabei die Nosoden, und bei der Tumorbehandlung besonders die Krebsnosoden. J.C. Burnett vor allem hat immer wieder an ein tumorwirksames Mittel die Forderung gestellt, dass es nicht nur ein symptomatisches Simile sein müsse, sondern in erster Linie ein pathologisches Simile. Damit meinte er, dass es die Kraft haben müsse, auch in die pathologischen Gegebenheiten, also in den Endzustand eines Krankheitsgeschehens eingreifen zu können. Aus diesem Grunde prüfte und verwendete er eine Reihe von Krebsnosoden, zum Teil mit hervorragendem Erfolg.

Eine chronisch verstimmte Lebenskraft gibt falsche Steuerungsimpulse an das Gewebe, dass der Organismus Fehlbildungen wie Tumoren hervorbringen kann, ist ein Zeichen für das Vorhandensein einer Kombination chronischer Miasmen, dabei ist es zweitrangig, ob ein Tumor benigne oder maligne ist. Sitzt der gutartige Tumor an einer entsprechenden Stelle z.B. im Gehirn, ist er ebenso letal.

Eine amerikanische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Mary Stark kam Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem faszinierenden Ergebnis. Diese Forscher untersuchten Stämme von Drosophila melanogaster, dem klassischen Versuchstier in der Genetik. Unter diesen befand sich ein Stamm, bei dem jeder vierte männliche Nachkomme im Entwicklungsstadium von einem Tumor zerfressen wurde. Das Tumorgewebe war kanzerös. Man wollte nun herausfinden, ob es irgendetwas gäbe, was diese Todesreihe aufheben oder unterbrechen könnte, aber man fand nichts. Danach versuchte man es mit homöopathischen Mitteln. Zu diesem Zweck potenzierte man die tumorzerfressenen Fliegen bis zur 30. und 200. Potenz (ab der 12. Potenz wird die Loschmidt’sche  Zahl überschritten) und gab verschiedenen Kolonien dieses Stammes eine Lösung davon ins Futter. Anderen Kolonien verabreichte man Arsenicum album C 30 und C 200, und wieder anderen eine von Dr. Boger empfohlene Quecksilberverbindung. Die Quecksilberverbindung ergab keine Änderung im Tumorgeschehen der Taufliegen. Bei der potenzierten Fliege wurde ab der 6. Generation die Gesetzmäßigkeit des Tumortodes (jeder vierte männliche Nachkomme) unterbrochen, es starb nur noch der eine oder andere. Bei Arsenicum album hingegen war bei einigen Kolonien nach der vierten, bei anderen nach der dritten Generation der Tumortod gänzlich aufgehoben. Die Mendel’schen Gesetze wurden durch energetische Mittel durchbrochen. Die hereditäre Anlage zur Tumorbildung wurde ausgerottet. Dafür war aber das richtige Mittel nötig, und es brauchte drei oder vier Generationen. Mit aller Vorsicht kann man sagen, dass es beim Menschen auch Fälle geben wird, die so tief verwurzelt sind, dass ein Leben gar nicht ausreicht, um die hereditären Fehlsteuerungen auszurotten.

 

II. Hauptteil:

Hahnemann (1755 – 1843) hinterließ seiner Nachwelt mit seiner Lehre von den chronischen Krankheiten ein geniales und großartiges Konzept von Heilungsmöglichkeit. Damals sahen dies aber nur wenige so, denn die chronischen Krankheiten erregten viel Aufsehen und auch Ablehnung nicht nur bei den Schulmedizinern, sondern auch bei Homöopathen. Sie stimmten mit Hahnemann überein, wenn es um die Lehre der chronischen Krankheiten generell ging. Sie akzeptierten die Syphilis und die Sykosis als venerische chronische Krankheit, bei der Behandlung gingen die Meinungen wieder auseinander, aber auch darauf basierte nicht die Ablehnung, die man Hahnemann entgegen brachte. Es war seine Psora-Lehre an der sie sich störten. Dass es neben der Syphilis und der Sykosis nur noch eine nicht-venerische chronische Krankheit geben sollte, dass also all die vielfältigen nicht-venerischen Krankheitserscheinungen nur eine einzige Wurzel haben sollten, das war der Stein des Anstoßes. Selbst viele seiner Schüler wendeten sich von ihm ab.

Er behauptete, dass die Psora die älteste und weitverbreitetste chronische Krankheit ist, und sieben Achtel aller chronischen Leiden aus ihr entstehen, nur ein Achtel schreibt er der Syphilis und der Sykosis zu. Es ging ihm darum, für all die unzähligen chronischen Leiden, an denen die Menschen erkranken können, eine einzige, gemeinsame „Wurzel“ zu finden, aus der diese Leiden hervorgehen. Er sagt ausdrücklich, dass es dabei wie bei einer epidemischen Krankheit sei: Die Patienten leiden unter den verschiedensten Erscheinungen, und die offizielle Medizin gibt diesen Erscheinungen verschiedenste Namen und hält sie für verschiedene Krankheiten, doch in Wirklichkeit ist die Ursache nur eine einzige Krankheit, die man mit ihrem „Spezifikum“ treffen muss. So gab es eine Zeit, in der Hahnemann die Fälle hinter denen er eine Psora vermutete, mit Sulfur begann, doch er musste feststellen, dass es noch mehr Antipsorika gab. Es sind also bei weitem nicht alle Homöopathika in der Lage, antipsorisch zu wirken, sondern nur die ca. 50, die Hahnemann in „Die chronischen Krankheiten“ Band II – V beschreibt.

Hahnemann geht sogar soweit, dass er sagt, jemand, der frei von Psora, Syphilis und Sykosis ist, absolut gesund ist und ein Leben ohne Krankheit und ohne Destruktion führen kann.

Ein kleiner Wermutstropfen ist bei diesem fortschrittlichen Gedankengut doch dabei, er redet unmissverständlich, wenn er von Syphilis, Sykosis und Psora spricht, immer nur von diesen Krankheiten als erworbenen Krankheiten. Dass sie auch an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können, und ihr Erscheinungsbild dabei verändert sein kann, davon sagt er nichts. Diese Tatsache musste von seinen Nachfolgen postuliert werden, obwohl es bekannt ist, dass Hahnemann sich nach 1828 mit der Möglichkeit der Heredität der chronischen Krankheiten beschäftigte.

Nachfolgende Homöopathengenerationen entdeckten aus ihren Erfahrungen und Beobachtungen in der Praxis, dass es Syphilis, Sykosis und Psora auch in hereditärer Form gibt. Manche der Regeln, die Hahnemann für die Behandlung von chronischen Krankheiten gegeben hat, gelten nur für die erworbenen chronischen Krankheiten und sind somit nicht einfach zu übernehmen. Viele Zeichen und Symptome, die er der erworbenen Psora zugerechnet hat, müssen, wenn sie hereditär auftreten, anderen chronischen Miasmen zugeordnet werden.

Diese Weiterentwicklung soll Hahnemanns Werk nicht schmälern, doch auch seinen Nachfolgern muss man zugestehen, dass sie die Grenzen der Homöopathie erheblich erweitert haben.

James T. Kent (1849 – 1916), ein bekannter Schüler Hahnemanns, heilte die Syphilis ganz anders und unterstellte Hahnemann, dass er die echte Syphilis nicht mit Mercurius heilen konnte. Doch vielleicht hat er übersehen, dass Hahnemann immer sagte, dass man bei der mit Psora verkomplizierten Syphilis anders vorgehen muss. Kent war der Überzeugung, dass bestimmte Infektionskrankheiten (Scharlach, Keuchhusten, Typhus usw.) nicht einfach durch die Homöopathie gelöscht wurden, sondern ihren Verlauf, nur in abgeschwächter und verkürzter Form, nehmen müssen. Der Homöopath muss seinen Patienten durch alle Stadien der Infektionskrankheit begleiten, und muss jedes Mal nach den vorhandenen Symptomen verschreiben, und die Krankheit wird ganz schnell und leicht verlaufen. Aus den Aufzeichnungen von Kent wird deutlich, dass seine ersten Schritte in das Reich der Heredität, besonders bei Syphilis und Sykosis, bereits über das, was wir von Hahnemann wissen, hinausgeht. Er hat nur nie von hereditär – chronischer Krankheit gesprochen, sondern benutzte den Begriff Konstitution. Dieser Begriff sorgte für viel Verwirrung und behinderte die Erforschung der hereditär-chronischen Krankheiten. Nach Hahnemanns Tod sprach man nicht mehr von chronischen Krankheiten, obwohl der Begriff einen diagnostischen und therapeutischen Inhalt hatte.

Hahnemann definierte die chronische Krankheit (oder das chronische Miasma) wie folgt:

§   Sie ist eine Infektionskrankheit.

§   Sie hat einen Anlauf und schreitet unaufhaltsam durch verschiedene Stadien bis in die Destruktion voran.

§   Ihr gegenüber kann die Lebenskraft keine Reaktionen hervorbringen, die zu einer Krisis führen würden, sondern sie kann nur durch die Entwicklung von Lokal-Übeln die Krankheit beschwichtigen.

§   Sie kann nur durch ganz spezifische homöopathische Mittel geheilt werden.

§   Ihr Modell ist die Syphilis mit ihren Stadien und Latenzphasen.

Diese klare Definition gaben die Homöopathen auf und übernahmen von der Schulmedizin den Allerweltsbegriff Konstitution. Wenn man überlegt, wo dieser Begriff schon überall verwendet wurde, bis hin zu den unsäglichen Konstitutionstypen, dann ist es kein Wunder, dass dieser Begriff einige Verwirrung brachte. Doch die Verwirrung ist es nicht allein: Konstitution beinhaltet etwas Statisches, sie umfasst die Veranlagung, und dazu gehören auch Augen-, Haut- und Haarfarbe und grober oder feiner Knochenbau usw. Und so haben sich in die Symptomenreihen mancher Arzneimittel sogenannte konstitutionelle Merkmale eingeschlichen, dabei soll suggeriert werden, dass z.B. Pulsatilla für blonde, blauäugige, milde Frauen geeignet ist, obwohl Pulsatilla bei Indern auch erfolgreich angewendet wird. Die echte Grundlage eines homöopathischen Mittels ist die Sammlung der Zeichen und Symptome, und die müssen krankhaft sein, das war die Lehre Hahnemanns. Bedauerlicherweise hat sich der Begriff Konstitution doch in den Sprachgebrauch eingeschlichen, und man muss sich bei seiner Verwendung fragen, was damit gemeint ist:

§   Sind es natürliche Merkmale wie rotes Haar?

§   Ist es ein bestimmter homöopathischer Konstitutionstyp, der für ein bestimmtes Mittel steht?

§   Ist es die angeborene Veranlagung zu bestimmten Krankheiten?

§   Oder ist es das Vorliegen hereditärer-chronischer Krankheiten?

Henry C. Allen (1836 - 1909) hatte die Lehre Hahnemanns von den chronischen Krankheiten gründlich studiert und wendete diese auch auf die akuten Krankheiten an. Bevor er sein Buch „Die Heilmittel von Fiebern“ veröffentlichte, hatte er sich jahrelang mit allen Formen von Fiebern beschäftigt. Er erkannte, dass die ganz schweren fieberhaften und lebensbedrohlichen Erkrankungen nur auf dem Boden einer hereditären Psora und Tuberkulose stattfinden. Je ausgeprägter das psorische Miasma war, desto gefährlicher und tödlicher war die Krankheit. Er hielt die Fieber für akute Exazerbationen der chronischen Miasmen, und deshalb muss das zugrundeliegende Miasma erkannt und behandelt werden. Die Familiengeschichte ist für ihn entscheidend, und sie liefert ihm in schwierigen Fällen die wichtigsten therapeutischen Hinweise für die benötigten Mittel. Dabei etabliert er ganz selbstverständlich und nebenbei die hereditär-chronischen Krankheiten.

John A. Allen (Freund und Schüler von H.C. Allen) beschreibt die Miasmen auch in ihrer Heredität und erstellt eine Lehre von den hereditär-chronischen Krankheiten, wo er also klar und eindeutig sagt, dass die chronischen Miasmen auf dem Erbwege weitergegeben werden können. Bei der Weitergabe der chronischen Miasmen an die nächste oder übernächste Generation kann es zu einem Ereignis kommen, das von J.H. Allen als erstem beschrieben wurde: Es können sich zwei Miasmen zu einer untrennbaren Einheit verbinden, so dass ein neues Miasma entsteht. Wenn Psora und Syphilis durch hereditäre Übertragung vollkommen kombiniert sind, dann sprach er von Pseudo-Psora oder Tuberkulinie, als ein solches nur hereditäres Miasma. J.A. Allen sagt, es muss die prima causa morbi eines Falles gefunden und behandelt werden. Das bedeutet also, dass gerade bei hereditär-chronischen Krankheiten die Suche nach miasmatypischen Zeichen und Symptomen das Wichtigste für die Mittelwahl ist. Die Kent’schen Grundsätze finden hier keine Anwendung, der die Totalität der Symptome berücksichtigt wissen will.

Bei den erworbenen chronischen Krankheiten gestaltet sich das Eruieren der miasmatypischen Zeichen nicht so schwer, weil sich meist die Infektion oder der Primäraffekt feststellen lässt, und dann das Miasma bekannt ist. Bei den hereditär-chronischen Krankheiten ist der Behandler weitgehend auf die Mithilfe des Patienten und seiner Familie angewiesen. Die Schwierigkeit wird noch dadurch vergrößert, dass bei den hereditär-chronischen Miasmen die selben Zeichen und Symptome wie bei den erworbenen auftreten können aber nicht müssen. In der Heredität können sie auch alle gleichzeitig auftreten oder auch in Latenz sein. Und es können völlig neue Zeichen und Symptome auftreten, die es nur in der Heredität gibt.

Für gewöhnlich finden wir die chronischen Krankheiten nebeneinander in einer Person, wenn mehrere Miasmen vorliegen. Dabei ist normalerweise nur ein Miasma aktiv, während die anderen stumm sind, es können aber auch alle in Latenz sein. Zur Heilung gab Hahnemann die Anweisung, beim Vorhandensein von Psora und Syphilis zuerst die Psora zu behandeln, dies gilt aber nur für erworbene Miasmen. Bei den hereditären Miasmen hat sich herausgestellt, dass es besser ist, das oben liegende oder aktive Miasma zuerst zu behandeln, was sich schon dadurch anbietet, dass dessen Symptomatik am vordergründigsten ist. Auf diese Weise kann Miasma für Miasma abgetragen werden. Sollte sich ein Patient zu seinen hereditären Miasmen noch ein zusätzliches Miasma erworben haben, dann muss dieses zuerst behandelt werden, da es aufgepfropft ist und oben liegt.

Die Kent-Schule legt größten Wert darauf, dass bei Anwesenheit mehrere Miasmen diese getrennt bleiben, selbst wenn sie einen Komplex bilden. Durch das passende Mittel wird der Komplex getrennt und die Miasmen einzeln behandelbar. Diese Überzeugung geht konträr zu J.A. Allens Lehre der Pseudo-Psora (Tuberkulinie) sie sei eine rein hereditäre chronische Erkrankung, bei der die beiden Elemente Psora und Syphilis miteinander verschmolzen sind. Sie hat ihre eigenen Zeichen und Symptome und ihre eigenen Arzneimittel. Der Versuch, die psorischen Teile durch ein passendes Antipsorikum und die syphilitischen Anteile durch ein passendes Antisyphilitikum zum Verschwinden zu bringen, scheitert. Nur ein passendes Antituberkulinikum wird beide eliminieren.

Allen hielt die Pseudo-Psora für die gefährlichste aller Kombinationen, weil sie die schlimmsten und gefährlichsten Zustände hervorrufen kann, wenn darauf noch eine Sykosis aufgepfropft wird.

Seit J.A. Allen ist die Tuberkulinie nicht mehr aus den Köpfen der Homöopathen wegzudenken. Natürlich hat es danach noch andere Variationen gegeben so von Pierre Schmidt, der die Tuberkulinie als eine Kombination von Psora und Sykosis sieht.

Wenn sich die Psora mit der Syphilis verbacken kann, warum sollte sie sich in bestimmten Fällen nicht auch mit der Sykosis verbinden? Die praktische Entscheidung darüber, welcher Art die Verbindung ist, muss in jedem speziellen Fall aus der Familiengeschichte und der Symptomatik des Patienten gefällt werden. Dieser Fall darf aber nicht verwechselt werden mit dem schon erwähnten Aufpfropfen eines zusätzlichen erworbenen Miasmas zu einer bereits vorhandenen Tuberkulinie.

Es gibt noch weitere Belastungen auf der Vorfahrenseite, die ebenfalls hereditär weitergegeben werden können, z.B. eine Impfbelastung oder andere iatrogene Manipulationen, und bis in die Nachkommenschaft wirken. Je mehr solcher hereditärer Fakten sich summieren, desto schlimmer wird die Erkrankung des Patienten. Wenn dann dazu noch unterdrückende Maßnahmen kommen, wundert es nicht, wenn die Erkrankung bösartig wird.

Unterdrückungen ihrer Lokal-Übel können sowohl bei den erworbenen als auch bei den hereditären Miasmen katastrophale Folgen haben. Die Psora ist aber zusätzlich gegen die medikamentöse Manipulation höchst empfindlich, obwohl bei allen Organismen die Möglichkeit einer Arzneimittelkrankheit besteht. Die Sykosis ist zusätzlich gegen Operationen, instrumentale Manipulationen, Impfungen und Bluttransfusionen höchst empfindlich. Die Syphilis auch gegen Operationen, vor allem aber gegen die künstliche Verschließung von Abflüssen z.B. Fisteln, Geschwüre, „laufende Ohren“ usw.

Einer, der all diese Erkenntnisse über hereditär-chronische Miasmen mit großem Erfolg bei der Tumorbehandlung praktisch anwendete, ohne darüber viel zu theoretisieren, war J.C. Burnett. Zunächst ist aber der Begriff „einseitige Krankheit“ näher zu beleuchten, da Tumoren zu den einseitig-destruktiven Krankheiten gehören.

 

Einseitige Krankheit

Eine einseitige Krankheit beschreibt das Vorliegen einer Krankheit, die nur eine Seite von sich zeigt, also nur ein Symptom oder ein Zeichen aufweist, obwohl sicher ist, dass hinter diesem einen Symptom eine komplexe Krankheit verborgen liegt. Sie befindet sich in Latenz und ist deshalb nicht erkenn- und greifbar. So wie ein Eisberg, der im Ozean treibt. Es ist nur ein Neuntel von ihm über der Wasseroberfläche zu sehen, während der weitaus größere Teil sich unter dem Wasser verbirgt. Genauso verhält es sich mit den einseitigen Krankheiten. Man weiß, dass da noch mehr Symptome schlummern, aber sie sind diagnostisch und therapeutisch nicht verwertbar. Im § 173 des Organon drückt Hahnemann es wie folgt aus: „Bloß diejenigen Krankheiten scheinen nur wenige Symptome zu haben, und deßhalb Heilung schwieriger anzunehmen, welche man einseitige nennen kann, weil nur ein oder ein paar Hauptsymptome hervorstechen, welche fast den ganzen Rest der übrigen Zufälle verdunkeln. Sie gehören größtentheils zu den chronischen.“

Risch schildert dazu einen Fall aus seiner Praxis in dem Buch „Die Hereditären Chronischen Krankheiten“. Ein Student kam zu ihm wegen eines völlig eingerollten, gespaltenen und in sich verkrümmten Nagels seines rechten großen Zehs, der auch noch unschön eiterte. Der junge Mann litt schon lange an diesem Nagel, nach zweimaliger Operation ist er immer wieder so nachgewachsen, schmerzt und eitert. Die Anamnese ergab keine Lösungsansätze. Der Mann war gesund, von Kopf bis Fuß, von Haupt bis Seele. Die Vorfahren lieferten auch keine verwertbaren Informationen, die zu einer Mittelfindung beigetragen hätten. Risch gab nach den wenigen Lokalsymptomen Silicea LM 18. Als der Patient nach ein paar Wochen wiederkam, war nur die Eiterung gestoppt, nichts hatte sich verändert oder war hinzugekommen. Natürlich bekam der Patient Silicea weiter und danach noch andere Mittel, bis hin zu dem berühmten Magnetis polus australis, das ein Spezifikum für eingewachsene Nägel sein soll. Der Zehnagel blieb unerschütterlich, bis der junge Mann die Behandlung aufgab, und Risch eine Niederlage erlitten hatte. Eine einseitige Krankheit wie sie im Organon steht.

Es dauerte nicht lange, da stellte sich wieder ein junger Mann bei Risch ein, dieses mal ein Arbeiter mit einer fürchterlichen Gesichtsakne. Wieder dasselbe: Der Mann schien ganz gesund, und in der Familienvorgeschichte war nichts zu finden. Verschiedene Arzneien, bis hin zu dem bewährten Akne-Mittel Kalium bromatum wurden vergeblich angewendet. Versuchsweise gab Risch dem jungen Arbeiter Tuberculinum, da Gesichtsakne ein tuberkulinisches Symptom sein kann, und die Akne verschwand. Dieser Fall beweist die Aussage: „Die einseitigen Krankheiten gehören größtenteils zu den chronischen“. Man muss sogar hinzufügen: Sie gehören meist zu den hereditär-chronischen Krankheiten.

Einem guten Therapeuten sollte jedoch immer bewusst sein, dass Fehler bei der Fallaufnahme von Seiten des Patienten (Verschweigen bestimmter Dinge) oder von Seiten des Behandlers (Nicht-Herausfinden aller Zeichen, Symptome und Fakten § 175) einen Fall fälschlicherweise zu einer einseitigen Krankheit machen kann.

Wird man doch mit einer der seltenen, aber „echten“ einseitigen Krankheit konfrontiert, dann findet man im Organon auch dafür eine Lösung. § 176 ff Hahnemann sagt, dass mehrere Schritte hintereinander erfolgen müssen. In solch einem Fall sind ja ein oder zwei lokale Symptome vorhanden, und von diesen muss unbedingt bei der Mittelwahl ausgegangen werden. In den seltensten Fällen wird dieses Mittel die passende künstliche Krankheit hervorrufen, um das gegenwärtige Übel auszulöschen. In den meisten Fällen wird es aber so sein, dass es durch die Einnahme des Mittels aus der Symptomenreihe des Patienten zu Symptomen kommt, d.h. es werden Zeichen deutlich, die sehr schwach oder nicht vollständig entwickelt oder gar nicht da waren. Im § 181 wird erklärt, dass diese neu entstandenen Symptome zwar durch das verabreichte Mittel hervorgerufen wurden, es aber keine Prüfungssymptome sind. Es sind Erscheinungen, zu denen dieser Körper und diese Krankheit schon fähig waren, sie mussten durch das Arzneimittel quasi erst hervorgelockt werden. Mit den zusätzlichen und dann eventuell vollständigen Symptomen kann ein zweites genau passendes Mittel gefunden werden. Hahnemann fordert aber, nachdem das erste Mittel ausgewirkt hat, eine erneute Fallaufnahme, bei der vor allem der Zustand, wie er jetzt ist, aufgezeichnet werden muss.

Immerhin hat Hahnemann uns damit grundsätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass wir immer und in jedem Falle – also auch bei nicht einseitigen Krankheiten – auf die Reaktionen zu achten haben, die nach der Gabe des Mittels auftreten. Manchmal können diese Hinweise des Organismus für die Mittelwahl entscheidend sein.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass P. Schmidt sich die Freiheit nimmt, Fälle mit zu vielen Symptomen auch zu den einseitigen Krankheiten zu zählen.

Hahnemann stellt im Organon noch zwei Erscheinungen vor, die er zu den einseitigen Krankheiten zählt. Diese möchte er aber anders behandelt wissen als in den §§ 177 – 184 beschrieben. Es handelt sich dabei um die Lokal-Übel und um die Geistes- und Gemütskrankheiten. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ausführlichkeit und Genauigkeit er seine Lehre von den Lokal-Übeln in den §§ 185 – 205 vorträgt. Produziert der Körper ein Lokal-Übel z.B. einen Hautausschlag, eine Warze oder ein Furunkel, dann ist das eine Reaktion des gesamten Organismus. Der Organismus ist eine große Einheit, Innen und Außen gehören untrennbar zusammen, gesteuert durch die Lebenskraft. Im § 203 verurteilt er es auf das Schärfste, diese Lokal-Übel mit äußerlicher Behandlung wegzunehmen, sonst kommt es zu der Entstehung von chronischen Leiden. Um dieses Lokal-Übel zu heilen, benötigt man nicht nur die lokalen Symptome, sondern die Symptome des ganzen Menschen, damit man ein Mittel findet, das auch die inneren Veränderungen trifft. Wenn aber nur die lokalen Symptome vorhanden sind, während die anderen „verdunkelt“ sind, wie Hahnemann das nennt, dann haben wir eine einseitige Krankheit. Diese verdunkelten Symptome waren vielleicht früher einmal da, oder sie waren bei den Vorfahren vorhanden, sie sind aber jetzt wichtig für die Behandlung.

Weitere einseitige Krankheiten sind die Geistes- und Gemütskrankheiten. Er unterschied damals schon zwischen exogener und endogener Depression, und die endogene Psychose rechnet er zu den einseitigen Krankheiten. Denn sie sind seiner Meinung nach nichts anderes als Körperkrankheiten, bei denen sich die Gemütssymptomatik in die Einseitigkeit steigert (§ 215). Eigentlich gibt es nur „vollständige“ Krankheiten, die den ganzen Organismus mit Leib und Seele befallen. Aus irgendeinem Grund geht bei einigen Patienten ein Teil der Symptomatik in die Latenz, und aktiv bleibt nur ein geringer Teil. Dieser geringe Teil von Symptomen wird schlimmer und deutlicher, und die Krankheit wird einseitig. So etwas kann nur bei chronischen Miasmen vorkommen. Zur Behandlung werden nicht nur die Geistes- und Gemütszustände, sondern auch die ehemaligen Körper-Symptome ausfindig gemacht, um das passende Antimiasmatika auszusuchen. Viele dieser Patienten haben gar keine eigenen ursprünglichen Körperkrankheiten mehr aufzuweisen, sondern sie sind schon mit Depressionen auf die Welt gekommen. Die vorausgegangene ursprüngliche Körperkrankheit liegt also bei den Vorfahren - ein typisch hereditäres Geschehen.

Dieses Modell der einseitigen Krankheiten lässt sich genau so gut auf die somatischen Gewebe übertragen. Statt sich in der Region des Gemütes einseitig festzusetzen, geht die Einseitigkeit in die Histologie, und es bilden sich pathologische Gewebsveränderungen, Tumore, und invasive Neoplasien. Dann kann man von „einseitig-destruktiver“ Krankheit sprechen. In diesen Fällen ist die ursprüngliche „vollständige“ Krankheit auch nicht unbedingt beim Patienten selbst, sondern schon bei seinen Vorfahren abgelaufen, so dass seine Symptome allein nicht genügen, um hinter das Bild dessen zu kommen, was vorausging. Da es sich in diesen Fällen immer um chronische Miasmen handelt, die hereditär weitergegeben werden können, müssen wir in fast allen dieser Fälle die Symptomatik der ursprünglichen Krankheit bei den Vorfahren suchen. Eine Bestätigung dieser Theorie sind die zahllosen Kinder, die bereits mit hereditären Leiden zur Welt kommen und schon im Kindesalter an Neurodermitis, juvenilem Diabetes und Leukämie oder anderen malignen Neoplasien erkranken.

Einseitig-destruktive Krankheit, das ist eine Krankheitserscheinung, von der Kent behauptete, dass sie unheilbar sei. Er benutzte nicht den Ausdruck einseitig-destruktive Krankheit, aber aus seinem Aufsatz „Warum ist Krebs unheilbar?“ geht hervor, dass er dasselbe meinte. Er schreibt: „Alle heilbaren Krankheiten geben sich dem klugen Arzt durch Zeichen und Symptome zu erkennen“ – so sagt Hahnemann. „Pathologische Zustände – ebenso wie der Patient – sind unheilbar, wenn es keine Zeichen und Symptome gibt, und so lange, als keine Zeichen und Symptome vorhanden sind, bleiben sie unheilbar. Je mehr aber die Pathologie voranschreitet, desto mehr nehmen die Zeichen und Symptome ab. Das ist deutlich bei Krebs, Tuberkulose, Diabetes, Bright’scher Krankheit und allen organischen Veränderungen des Körpers. In einigen Fällen wird das Mittel, das früher einmal durch die Gemüts- und Körpersymptome angezeigt war, bei mäßig fortgeschrittenen Zuständen sogar noch heilen; hinwiederum wird ein solches Mittel bald offenbaren, dass der Patient bereits zu lange krank war, und die Pathologie zu weit fortgeschritten ist, und die Reaktion ist so schwach, dass er schnell dahinsinkt, und das Mittel antidotiert werden muss.“

Der optimistische Hahnemann hat in diesem Falle nicht von Unheilbarkeit gesprochen, aber Kent hat prinzipiell mit der Feststellung recht. In den meisten Fällen von einseitig-destruktiven Krankheiten nehmen die individuellen, homöopathisch wichtigen und verwertbaren Symptome mit dem Fortschreiten der Pathologie ab. Die Symptomatik des gesamten Menschen, des Individuums geht verloren, während sich die der geweblichen Veränderungen unaufhaltsam ausbreiten. Dadurch wird es schwierig oder unmöglich, ein heilendes Mittel für den Patienten zu finden.

J. Compton Burnett (1840 – 1901) war ohne Zweifel ein Meister auf dem Gebiet der Behandlung der einseitig-destruktiven Krankheiten, und seine Methoden sind bis heute unübertroffen. Damit eine solch komplexe Behandlung gewährleistet werden kann, stellte er vier Forderungen auf:

1.      die Kenntnis des oder der zugrundeliegenden Miasmen

2.      das pathologische Simile

3.      eine Leiter oder Serie von Mitteln

4.      die Organopathie

 

Zu 1. „die Kenntnis des oder der zugrundeliegenden Miasmen“:

Wenn ein Fall keine Symptomatik aufwies, und es nur Krankheitserscheinungen gab, dann ordnete er diese organischen Veränderungen dem entsprechenden Miasma zu und begann die Behandlung mit der zugehörigen Nosode. Voraussetzung dafür ist, dass man weiß, welche Krankheitserscheinungen durch die einzelnen hereditären Miasmen hervorgerufen werden. Das ist eine schwierige Aufgabe, weil manche hereditären Erscheinungsformen der einzelnen Miasmen untereinander ähnlich oder gar gleich sein können. Getreu seinem Motto, seinen Hut an jeden Nagel zu hängen, den er finden konnte, ergab sich daraus immer ein Einstieg in den Fall, auch wenn er noch so symptomarm war.

Zu 2. „das pathologische Simile“:

Wenn in einem Krankheitsfall bereits organische Veränderungen vorliegen, dann verlangt Burnett zur Heilung ein sogenanntes pathologisches Simile. Das ist ein Mittel, das solche organischen Veränderungen selbst erzeugen kann, wie man aus der Toxikologie oder der klinischen Erfahrung ersehen kann. Daher seine Einteilung der homöopathischen Mittel in „Kinderpistolen und Kanonen“. Das steht im Gegensatz zu Kents Überzeugung, bei der die Übereinstimmung der Symptomatik und vor allem die der Gemütssymptomatik das wichtigste ist. Stattdessen verlangt Burnett ein Mittel, das selbst Tumoren erzeugen kann oder zumindest schon klar geheilt hat. Er sagt, dass homöopathische Mittel, die nur nach den Symptomen des Patienten ausgesucht werden, sehr oft nur palliativ wirken, aber keine heilende Kraft haben. Heilende Kraft bekommen sie nur, wenn sie auch dem pathologischen Prozess entsprechen, der bei dem jeweiligen Patienten abläuft. Wenn die Gesamtsymptomatik des Patienten diesen pathologischen Prozess mit einschließt, dann wird das Mittel richtig sein. In vielen Fällen hat die individuelle Symptomatik des Kranken keinen oder nur wenig Bezug zu den pathologischen Veränderungen. Dazu schreibt Burnett in seinem Buch „Tumoren“: „Der Behauptung, daß die Krankheit sich ganz in den Symptomen ausdrückt, kann ich nicht zustimmen, weil es nicht wahr ist: das kann so sein, oder es kann nicht so sein. Es ist nicht genug, die Totalität der Symptome abzudecken; denn wenn dies getan worden ist, haben wir erst die Hälfte hinter uns und müssen danach folgende Frage stellen: was ist die wahre Natur, die natürliche Vorgeschichte, die Pathologie der Krankheit, über die wir nachdenken? Was hat sie verursacht? Ist die Ursache noch vorhanden oder schon verschwunden? Ist das ausgewählte Mittel tauglich, eine ähnliche Krankheit zu produzieren wie die, die wir vor uns haben? Ist es tatsächlich wirklich homöopathisch zu dem krankhaften Prozeß – übereinstimmend entsprechend – und erreicht es ihn von Anfang bis Ende? Wenn nicht, dann sind wir auf der falschen Fährte, wenn es darum geht, wirklich zu heilen und nicht nur zu lindern.“

Im Zusammenhang mit der Frage, ob ein krankhafter Prozess von Anfang bis Ende erreicht wird, spricht Burnett vom sogenannten Haltepunkt der Wirkung. Wenn eine Arznei keine vollständige Heilung herbeiführen kann, dann ist der Punkt, an dem die Wirkung gestoppt oder sich erschöpft hat, der Haltepunkt. Burnett macht immer wieder in ausgesprochen schönen Bildern Sachverhalte wie diesen verständlicher: Auf Seite 23 ff „Tumoren“ beschreibt er dazu einen Fall eines jungen Mädchens und die Geschichte von einem starken Freund, der ihn nicht auf seinem ganzen gefährlichen Weg begleiten kann. Deshalb wird er nach dem sich der Freund von ihm getrennt hat (Haltepunkt) ausgeraubt und umgebracht.

Zu 3. „eine Leiter oder Serie von Mitteln“:

Ein weiteres Element, das Burnett in die Behandlung der hereditär-chronischen Miasmen einbrachte, war die Behandlung durch die Mittelfolgen nach dem Gesetz der Leitern. Burnett setzte immer mehrere manchmal sogar viele Mittel (bis auf einen Fall, den er in seinem Buch „Tumoren“ beschreibt) vor allem bei der Tumorbehandlung hintereinander ein. Er verglich diese Serie von Mitteln oft mit einer Leiter, bei der jede einzelne Sprosse wichtig ist, um hinaufzusteigen. Aber man kann nicht sagen, welche Sprosse es im Detail war, die einen hinaufbrachte. Er war der Ansicht, wenn man bei einem sehr schwierigen, komplizierten Fall nicht eine Reihe von Mitteln einsetzen kann, dieser Fall dann für immer unheilbar bleibt. Auch Hahnemann beschreibt bei den einseitigen Krankheiten, dass es mehrere Mittel bedarf, diese Fälle zu heilen. Natürlich immer mit der Einschränkung, dass die Mittel gut ausgewählt werden müssen. Ein Tumor ist ja eine einseitige Krankheit, und zwar bereits eine einseitig-destruktive, wie sie fast nur auf dem Boden hereditä-chronischer Miasmen auftreten kann. Daher stand für Burnett fast immer fest, dass er nicht mit einem Mittel allein auskommen werde. Er sammelte alle Elemente des Falles zusammen: die primär-miasmatischen aus der Vorfahrenschaft, die sekundär-miasmatischen aus dem Leben des Patienten, dazu alle auslösenden Ursachen wie Impfungen, Operationen, Krankheiten, ebenso wie alle organopathischen Fakten. Er wusste, dass das einseitig-destruktive Geschehen des Tumors das Ergebnis vieler Faktoren ist, das aufgehoben werden muss, dementsprechend legte er seine wohldurchdachte Mittelfolgen fest.

Manche Homöopathen kreideten ihm die Anwendung der sog. Leitern an, weil sie meinten, dass jeder Krankheitsfall nur ein Mittel bedürfe, oder jeder Patient nur sein Mittel brauche, aber dann entfernen wir uns von der Individualisierung und nähern uns wieder der Konstitution.

 

Zu 4. „die Organopathie“:

Burnett schrieb den einzelnen Organen nicht nur eine bestimmte Wichtigkeit zu, sondern er billigte ihnen eine Autonomie, in einzelnen Fällen sogar eine Vorherrschaft zu. Wenn er gar keinen Nagel hatte, an den er seinen Hut hängen konnte, dann stieg er über die Organopathie in den Fall ein. Denn selbst ein einseitig-destruktives Geschehen beim Patienten hat eine Lokalisation. Burnett war natürlich auch der Überzeugung, dass in einem hereditär-chronischen Fall das entsprechende Organ aufgrund des Miasmas erkrankt ist und mit einem Antimiasmatika geheilt wird. Ein organotropes Mittel zu Beginn oder dazwischen gegeben, soll das Organ und damit den gesamten Körper entlasten. Er war der Meinung, dass eine antimiasmatische Behandlung mit höheren Potenzen den Organismus sehr anstrengt, und man gewissermaßen zur Erholung zwischendurch ein organotropes Mittel in Urtinktur oder ganz tiefen Potenzen einsetzen sollte.

Er beschäftigte sich eingehend mit Arzneien, die spezielle organotrope Beziehungen hatten und setzte sie immer dann ein, wenn eine eindeutige Lokalisation der Krankheit bestimmt werden konnte. Dabei gestand er den einzelnen Organen innerhalb des Gesamtorganismus eine gewisse Autonomie zu.

Außerdem entdeckte er einen engen Bezug zwischen einzelnen Organen, eine Synorganopathie. Das erkrankte Organ ist in solch einem Fall nicht der Ausgangspunkt der einseitig-destruktiven Krankheit, sondern ein ganz anderes Organ. Zur Verdeutlichung soll seine Theorie zur Brusttumorentstehung genannt werden. Er sagte, im Falle eines Brusttumors sind die eigentlich erkrankten Organe der Uterus oder die Ovarien, während die Brust synorganotrop nur das Erfolgsorgan ist. Zur Heilung werden dann logischerweise Arzneimittel für die auslösenden Organe und nicht für die Brust verabreicht. Burnett hatte sehr gute Erfahrungen mit Aurum Muriaticum Natronatum gemacht, das eine deutliche Wirkung auf die weiblichen Organe hat. Burnett vermutete, dass die Synorganopathie sich nicht nur auf Brusttumoren beschränkt.

Burnett hat wie Hahnemann viele Arzneimittelprüfungen, bis dahin unbekannter Mittel, an sich selbst vorgenommen. Er hat dann diese Mittel nach den Symptomen, die er an sich feststellte, angewendet. Leider gibt es über diese Prüfungen wenig Aufzeichnungen.

Der „Cooper Club“, der sich seinerzeit regelmäßig in Dr. Clarkes Haus traf, hatte drei treibenden Kräfte. Dr. Robert Cooper, mit seiner Gabe, neue und nützliche Arzneien zu entdecken, Dr. James Compton Burnett, der das Talent besaß, deren Besonderheiten und Möglichkeiten zu erfassen, und sie mit Erfolg bei den Patienten anzuwenden, die seine Praxis belagerten, und Dr. John Clarke, der all dies sorgfältigst aufzeichnete und als bleibende Hilfe für die Nachwelt in seinem Dictionary of Materia Medica niederlegte.

R.T. Cooper entwickelte ein System zur besseren Überprüfung von medizinischen Substanzen, insbesondere von Pflanzenheilmitteln, die er Arborivitalmedizin nannte (lat. Arbor = Baum, vita = Leben).

Cooper’s Lehre der Arborivitalmedizin basierte auf seiner Erkenntnis, dass in den Pflanzen eine Kraft enthalten ist, die in jeder Beziehung ähnlich wie eine keimende Kraft im menschlichen Körper wirkt. Wenn man seine Methode anwenden will, stellt er die Bedingungen, dass man neu anfängt, sowohl die Wirkungen von Einzelarzneien, als auch die Einzelgabe dieser Arzneien zu untersuchen.

Dr. Cooper pflegte sich seine pflanzlichen Arzneien immer in ihrer besten Zeit zu beschaffen, nicht nur hinsichtlich der Jahres-, sondern auch der Tageszeit. Bewaffnet mit einem kleinen Fläschchen dreiviertel gefüllt mit Weingeist, sicherte er sich sein Exemplar, indem er es unverzüglich dort hineingab. So versorgte er sich mit einer „Mutter-Tinktur“, die so rein und unverdorben war, wie nur möglich. Von dieser Lösung verabreichte er dann in zahlreichen Fällen einen einzigen Tropfen, und zwar in großen Abständen, wie es der jeweilige Zustand des Kranken erforderte, wobei er mit der Wiederholung der Mittelgabe stets so lange wartete, bis sich die stimulierende Wirkung des Mittels erschöpft hatte. Natürlich konnte er zu diesem Zweck und bei dieser Art der Verabreichung keine stark giftigen Arzneien verwenden; diese mussten, um ohne Lebensgefahr für die Patienten von Nutzen zu sein, bis zur dritten Dezimalpotenz verdünnt werden.

Er stellte die These auf, dass ein Tumor durch einen Keim entsteht, der im Körper auf günstige Bedingungen für seine Entwicklung trifft. Das Wachstum des Tumors wird durch eine Wachstumskraft hervorgerufen. In der Pflanzenwelt beobachtete er eine ähnliche Wachstumskraft. Als Beispiel führt er den Samen einer Steckrübe (Brassica Rapa) an. Der Samen vervielfacht sein Volumen um das 17 Millionenfache, bis die Rübe entstanden ist. Die resultierende Wirkung entspricht nicht der ursprünglichen Größe des Samens, sondern der Beziehung, die zwischen dem Samen und dem Erdboden, in den er eingepflanzt wurde.

Setzt man in einen Organismus, in dem ein Tumor wächst, eine solche pflanzliche Wachstumskraft ein, dann werden diese Kräfte sich aufheben oder löschen, wie Hahnemann das nannte. Aber natürlich muss das eine pflanzliche Wachstumskraft sein, die eine homöopathische Ähnlichkeit zu der Wachstumskraft des Tumors hat.

Wörtlich sagt er dazu in „Krebs und Krebssymptome“: „Meine Meinung ist - kurz gesagt - die, dass es in lebenden Pflanzen eine Kraft gibt, die, wendet man sie in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Lebens bei Krankheiten an, ihr Fortschreiten aufhält und sogar ihre Auflösung bewirkt. Außerdem bin ich der Meinung, dass, während für mineralische Substanzen künstliche Zubereitungen, Verdünnungen und Verreibungen notwendig sind, um solch eine Kraft besser demonstrieren zu können, diese für den Beweis der Existenz einer entsprechenden Kraft in Pflanzenheilmitteln nicht nötig sind. Dieser besagten Kraft gab ich den Namen „arborivital“, und der aus ihr resultierenden Wirkung „Arborivitalwirkung“.

Weiterführend ist er der Ansicht, dass es keinerlei Proportionen zwischen dem Krankheitsprozess und dem heilenden Agens gibt. Er geht soweit, zu behaupten, wenn die heilende Kraft, die die Ähnlichkeitsbeziehung zu der Krankheit hat, zu stark ist, dann wird es zu einer zu schnellen Auflösung des erkrankten Gewebes kommen und somit den Patienten vergiften, weil er es nicht schnell genug ausscheiden kann. Es ist einfach eine Sache der Ähnlichkeit, es ist nicht eine Sache der Menge der Substanz. Deswegen ist die sicherste Vorgehensweise, durch eine Einzelgabe auf die Krankheit einzuwirken.

In seinem Buch „Krebs und Krebssymptome“ beschreibt Cooper dazu den Fall einer Frau, die an Krebs litt. 18 Monate bevor er den Fall übernahm, wurde ihr die rechte Niere entfernt. Der Krebs trat wieder auf, an der Operationsnarbe und um die Blase herum.

Am 10. Februar 1899 schickte er ihr eine Gabe Crocus sativa. Vier Tage später bekam er die Nachricht, dass die Frau, die vorher an Obstipation litt, am Tag nach der Arzneimittelgabe eine äußerst heftige Diarrhöe bekommen hat. Ihr Essen schied sie unmittelbar nach der Aufnahme wieder aus, und sie fühlte sich im beängstigenden Maße bedrückt und schwach. Cooper erkannte, dass sich dies alles durch das Herausströmen der Krankheit erklären ließ, und ordnete einfach an, große Mengen heißen Wassers Schlückchenweise zu trinken, und die Morphingaben so weit wie möglich zu unterlassen. Die riesige Krebsgeschwulst erstreckte sich von dicht unterhalb der Leber bis zum Becken der rechten Seite. Ein Körper, der so voll kanzerösem Gewebe und dem nur noch eine Niere geblieben ist, wird sich unter diesen Umständen kaum erholen. Wobei etwas Heilsames bewirkt wurde, da sich Schmerzcharakter und -schwere veränderten, und die Morphingabe abgesetzt werden konnte. Dann verabreichte er ihr Juniperus communis auf Grund der Polyurie, die existiert hatte, bevor der Tumor entdeckt wurde. Die in Gang gesetzte Wirkung war heilsam, aber belastend, und man musste warten, bis die Heftigkeit nachließ. Zum Zeitpunkt der Einnahme ging es der Frau gut, am 3. September bekam sie Silphium perforatum. Unmittelbar nach der Gabe setzte ein nagender Schmerz in der Schwellung ein, sie bekam Verstopfung, die Narbe der entfernten Niere begann sich zu entzünden, und nach vier oder fünf Tagen wurde eine Absonderung festgestellt. Diese Absonderung wurde laufend stärker, bis sich eine große Öffnung bildete, aus der eine große Menge klarer Flüssigkeit Tag und Nacht von Ende September bis zum darauffolgenden 11. Dezember herausströmte. In der Nacht des 10. Dezember war sie so frei von Schmerzen und Leiden, dass ihre Tochter, die sie die ganze Zeit unaufhörlich gepflegt hatte, sie mit der großen Hoffnung verließ, dass die Ruhe der Mutter ungestört bleiben würde. Am frühen Morgen (gegen 2.00 Uhr) setzte jedoch eine Schwäche ein, und nach ungefähr einer Stunde starb sie friedlich und fröhlich und ohne eine Spur von Schmerz. Dieser Fall zeigte, dass die Lebenskraft durch das Ausleiten der Krankheit, das Herausströmen, das durch die einzige Gabe von Silphium perforatum verursacht wurde, aufgebraucht wurde. Dieses Herausströmen wäre bei kleineren Mengen kanzerösen Gewebes heilend gewesen; dass dies eine positive Reaktion war, wurde durch die Schmerzfreiheit, die Schrumpfung der kanzerösen Masse, die sehr deutlich war, und die allgemeine Besserung der Verfassung der Patientin während dieser Zeit gezeigt. Der Beweis, dass hier eine andere Kraft als die Krebskraft aktiv war, nach der Verabreichung des angezeigten Arzneimittels war für Cooper eindeutig.

In dem vorliegenden Buch beschreibt er natürlich viele Fälle, die zu einer Heilung führten jedoch mit nicht tiefgreifenden Mitteln. Auf jeden Fall suchte Cooper Mittel mit einer pflanzlichen Wachstumskraft aus, die eine homöopathische Ähnlichkeit zu der Wachstumskraft des Tumors hatten. Diese Ähnlichkeit hat er aus den folgenden Kriterien gewonnen:

1.  Aus der organotropen Wirkung. Er beobachtete aus Prüfungen und Krankheitsverläufen, wo bestimmte Pflanzen in ihrer Wirkung zu erst ansetzen, diese organbezogene Wirkung verwendete er in vielen Fällen als Auswahlsymptom für seine Arborivitalmedizin.

2.  Aus der Toxikologie der Pflanze.

3.  Aus Symptomen der Krankheitsentwicklung als auch der früheren und gegenwärtigen Symptome.

John H. Clark schreibt in „Die Heilung von Tumoren durch Arzneimittel“, dass Burnett eine wichtige Gruppe heilender Mittel in den Nosoden, besonders in den Krebsnosoden fand. Die Krebsnosoden der Homöopathen sind hauptsächlich Scirrhinum, Carcinosinum, Durum, Mamillinum, Epitheliominum und Sarcominum. Die ersten vier sind Varianten derselben Nosode. Carcinosinum, Durum, Mamillinum sind Präparationen von Burnett, und wurden von ihm so benannt. Burnett prüfte sie an sich selbst und erfuhr dieses üble, sinkende, schwache Gefühl in der Nabelgegend, was für Krebsnosoden typisch ist in auffallender Stärke. Man darf sich nicht vorstellen, dass die Krebsnosoden Spezifika für die Heilung eines jeden Falles sind. Es gibt mehr Wege als nur einen, um Krebs zu heilen, aber es gibt nicht den alleinigen, der für alle Fälle geeignet wäre. Seiner Erfahrung nach stellen die Nosoden unter allen Mitteln die wichtigste Klasse dar, und ihr Gebrauch sollte bekannter sein, als es selbst unter Homöopathen der Fall ist. Clark verwendete hauptsächlich Nosoden, die er von Burnetts Musterexemplaren hergestellt hatte.

J.H. Clarke schreibt im ersten Kapitel: „Ich habe keinerlei Zweifel, dass Krebs in einem geringen Grad und auf einem sehr langsamen Weg ansteckend ist. Dass das ansteckende Prinzip in der Wucherung selbst und in der Absonderung aus der Wucherung liegt, wurde durch die Kraft der homöopathischen Nosoden, die daraus hergestellt sind, erhärtet;... Andere Zeugnisse für die Übertragungsfähigkeit von Krebs sind: das Vorkommen bei verheirateten Paaren mit einer größeren Häufigkeit, als das Gesetz des Zufalls es erklären würde, und das Vorhandensein von „Krebs-Häusern“. Weiter schrieb er:“ Aber Krebs ist eine komplexe Krankheit, und die Bildung des Tumors kann man als das letzte Kapitel einer ganzen Folge ansehen. Heredität spielt eine wichtige Rolle; Ansteckung spielt – vielleicht manchmal – keine so große Rolle; und andere Faktoren spielen manchmal eine äußerst wichtige Rolle, unabhängig von den anderen zwei, wie es scheint. Blutvergiftung aller Art kann ein entscheidender Faktor für die Verursachung von Krebs sein“. 

A.H. Grimmer (gest. 1967) war ein Homöopath der Neuzeit, der sich mit der Heilung von Tumoren erfolgreich beschäftigte. Auch er war der Meinung, dass Krebs durch das Zusammenwirken aller Miasmen plus Drogen, Impfstoffen und anderen Störungen entsteht. Die derzeitige Behandlung der Schulmedizin lehnte er ab, da er der Meinung war, dass diese Therapien das Leben der Patienten verkürzten und homöopathische Arzneiwirkungen verhinderte. In diesem Zusammenhang setzte er als Antidot gegen Radium und Röntgenstrahlen Cadmium jodatum, Acidum floratum und Silicea ein. Immer wieder schreibt er, wie wichtig es ist, den Krebs frühzeitig zu behandeln, da man sonst keine therapeutisch wertvollen Symptome mehr findet. Seine Erfahrung in der Praxis zeigte, dass er keinen Krebsfall ohne tuberkulinischen Hintergrund hatte, beschrieben in dem Buch „Die homöopathische Behandlung von Krebs: „Der Krebs wächst auf einem tuberkulinischen Boden. Dieses Miasma hat die Verschmelzung aller anderen Miasmen zu Folge“.

Grimmer war bestens vertraut mit den hereditär-chronischen Miasmen und wendete dieses Wissen bei seiner täglichen Arbeit an. Er war der Überzeugung, dass die „Tendenz“ an Krebs zu erkranken, wenn die Eltern schon an Krebs erkrankt waren, weitergegeben werden kann, es aber nicht zwingend sein muss. Liegt aber die Tendenz, an Krebs zu erkranken, bereits in einem Organismus vor, und es kommt noch zu weiteren Schädigungen wie z.B. einer Verletzung, dann muss die Wahrscheinlichkeit einer Tumorerkrankung beim Studium eines Falles und auf der Suche nach der Arznei berücksichtigt werden. Im speziellen Fall der Verletzung (bei Krebs-Tendenz) führt er die beiden herausragenden Arzneimittel Bellis perennis und Arnica montana an. Er war Student am Hahnemann College und assistierte in Kent´s Sprechstunde. Das Kent´sche Repertorium gibt 54 Arzneien bei Krebszuständen an. Dieses erweiterte er in seiner Praxis um einige wie Lac caninum, Plumbum, Condurango, Graphites, Hepar, Hydrangea, Lycopodium, Mercurius und andere mehr.

Dr. M. Fortier-Bernoville beschreibt die homöopathische Behandlung von Krebs nicht anti-miasmatisch: Er unterscheidet zwischen einer Allgemeinen Behandlung und einer Lokalen Behandlung des Tumors. Zur Allgemeinen Behandlung im präkanzerösen Fall schlägt er die Verabreichung von sog. Konstitutionsmitteln oder „Basis-Mitteln“ vor. In der Zusammenfassung erwähnt er kurz, wie man Konstitutionsmittel und Nosoden dosieren sollte, was auf eine miasmatische Kur hinweisen könnte, da der von Kent geprägte Begriff Konstitutionsmittel in der Vergangenheit unterschiedlich interpretiert wurde. Beim Vorliegen eines Tumors empfiehlt er die Behandlung mit den eigentlichen Krebsarzneien. Zur Vervollständigung der Allgemeinen Behandlung müssen Drainagemittel zur Ausleitung von Giften, die vermehrt im Körper entstehen, verabreicht werden. Außerdem werden dabei Mineralsalze im Körper zurückgehalten und der Unterernährung vorgebeugt.

Weiter beschreit er die Möglichkeit der Isopathie und die Anwendung von spezifischen Nosoden. Zu den unspezifischen Methoden zählt er die in England von Bach und Dishington angewendeten Nosoden, die sie aus Kulturen von Darmbakterien („Eingeweideorganismen“) gewonnen haben, welche keine Laktose vergären; Gaertner, Morgan, Dysentericus und Proteus werden vorgeschlagen. Hier ihre Indikationen:

§   Bei Karzinom: Morgan und Dysentericus

§   Bei Sarkom: Morgan und Gaertner

Der Gaertner-Bazillus scheint klar bei verhärteten Tumoren zu wirken, insbesondere im Bauchraum, wenn im Stuhl diese Organismen nachzuweisen sind. Vorzugsweise wird die 30. Potenz benutzt. Auch der antroposophische Einsatz von Mistelextrakten (Viscum album) wird angerissen. Zusammenfassend gibt er die Empfehlungen:

Bei jedem Patienten über 40 Jahre sollte man systematisch nach einer vorhandenen Krebsneigung suchen. Dieser Punkt muss bei einer sorgfältigen Anamnese berücksichtigt und genauestens abgeklopft werden. Unglücklicherweise kann auch eine Person, die sorgfältig und regelmäßig beobachtet wird an einem Tumor erkranken, deshalb muss auch die allgemeine Vitalität richtig eingeschätzt werden.

§   Nach Phasen ausgeprägter Schwäche kann ein Tumor entstehen.

§   Unerklärlicher Gewichtsverlust kann ein Zeichen eines präkanzerösen Stadiums oder eines mikroskopisch kleinen Tumors sein.
Die Behandlung sollte aus der Verschreibung des Konstitutionsmittels und der äußerst sorgfältigen allgemeinen Drainage des Patienten bestehen.

Ist ein Krebs entstanden, sollte man den ohne große Hoffnung, aber mit absoluter Zähigkeit behandeln. Wenn man den Krebs auch fast nie heilen kann, so kann man doch lebensverlängernd darauf einwirken.

§   Das Gewicht sollte kontinuierlich bestimmt werden. Diese Gewichtskurve wird die Wiederholung des Konstitutionsmittels oder der Nosode regeln und wird sehr schnell die Ergebnisse und auch die zu erwartenden Hoffnungen der durchgeführten Behandlung mitteilen.

§   Um die Psyche der Patienten sollte man sich kümmern, sie sollten vor psychischer und emotionaler Erschütterung bewahrt werden.

§   Der Patient sollte viel gesunde und appetitanregende Nahrung bekommen. Diese sollte reich an Vitaminen, wenig gewürzt und arm an stickstoffhaltigen Anteilen sein.

§   Der Patient muss drainiert und remineralisiert werden.

§   Die Konstitutionsmittel und Nosoden sollen vorsichtig, wie die spezifischen Arzneien verordnet werden.

Dr. M. Fortier-Bernoville schreibt abschließend: „Wenn wir so arbeiten, können wir bestimmt einen großen Teil dieser Patienten vor Leiden bewahren und ihren Tod erleichtern. In gewissen Fällen können wir das Leben verlängern, in anderen, wahrhaftigen seltenen Fällen, können wir vielleicht die Freude einer unvorhergesehenen Heilung erzielen – wer weiß?“

Yves Laborde geht so weit, dass er die Kanzerinie den hereditären Krebs als eigenständiges Miasma in seinem Buch beschreibt.

Schon Hahnemann beschrieb die Krebserkrankung in der chronischen Krankheiten als psorischen Ursprungs, das bedeutet, dass die Psora immer vorhanden sein wird. Aber er wusste, dass die Psora allein keinen Tumor produzieren kann (Organon § 205, Fußnote).

Laborde schreibt in dem Buch „Die Hereditären Chronischen Krankheiten“: „Krebs entsteht aus einer dreifachen miasmatischen Belastung nämlich Psora plus Sykosis plus Syphilis und häufig noch der iatrogenen Krankheit.“ Unter die iatrogener Krankheit zählt er auch die Vakzinose. Die Tumorerkrankung ist eine systemische Erkrankung, die jahrelang Warnsignale produziert, bevor sie maligne entartet. Diese Warnsignale sind spezifische Erkrankungen, Zeichen und Symptome (S.448/9), die als präkanzeröse Vorstadien zu werten sind. Dieses Geschehen wird von der primären Miasmatik bestimmt, weil Krebs hereditär ist. Patienten mit einer familiären Krebsbelastung haben 300 % mehr Affinität zur Krebserkrankung als diejenigen ohne. Die Krankheit Tuberkulose ist ein eindeutiger Krebsvorbote, wie die Praxiserfahrung zeigt. Das Alternieren zwischen akuter Tuberkulose und Krebs von einer Generation zur anderen, oder das Auftreten einer Tuberkulose in der Jugendzeit, gefolgt ein paar Jahre später von einem Tumor ist auffällig.

Die Tumorerkrankung ist das Endergebnis einer Kettenreaktion, die auf hereditärer Krebsbelastung basiert. Folgende erworbene Faktoren können bei der Kettenreaktion beteiligt sein.

1.  Impfung:
Die Vakzinosis ist eine iatrogene Krankheit und pathophysiologisch gesehen verlangsamt bzw. lähmt sie das Monozyten-Makrophagen System. Da dieses System im Organismus für die Elimination von Abfallprodukten und einzelnen entstehenden Tumorzellen verantwortlich ist, kann man verstehen, dass Vakzinosis eine Rolle bei der Tumorentstehung spielt. Impfung, wenn der Körper in einem Zustand verminderter Widerstandsfähigkeit ist, beispielsweise wenn eine Frau ihre Menses hat, ist besonders gefährlich. Noch dazu ist die Periode ein Entgiftungsprozess, der nie gestört werden sollte. Die Menses kann jahrelang ein Miasma in Schach halten (deshalb treten so viele Erkrankungen ab dem Klimakterium auf). Die Impfungen, die nicht angehen, bewirken eine schlimme chronische Vakzinosis. Die Impfung gegen Kinderkrankheiten verhindern eine natürliche Bildung des Abwehrsystems, und die Kinderkrankheiten treten trotzdem auf, aber in maskierter Form. - So bleiben sie unbehandelt und rufen chronisch krankhafte Zustände hervor, die wiederum unterdrückt werden. Impfungen greifen die Milz an, und eine gesunde Milz ist ein Schutz vor Krebs. Vakzinosis kann nicht nur erworben, sondern auch ererbt werden. Ganz besonders Menschen mit einer hereditären Krebsbelastung sollten nie geimpft werden.
Ebenso empfindlich reagiert der Körper auf Bluttransfusionen, Desensibilisierungen oder Therapien mit verschiedensten Seren.

2.  Unterdrückung von den Infektionskrankheiten Sykosis oder Syphilis:
Unterdrückte Geschlechtskrankheiten wie sykotische Gonorrhoe, Kondylome oder Syphilis, dies sind spezifische Unterdrückungen, die mit einer hereditären Tuberkulose oder einem hereditären Krebs im Endstadium zur Krebserkrankung führen können.

3.  Unterdrückung der erworbenen Sykosis oder Syphilis im 2. oder 3. Stadium
gehört auch zu den spezifischen Unterdrückungen.

4.  Unterdrückungen unterschiedlichster Art,
wie sie häufig vorkommen:

·    Unterdrückung von Hautauschlägen jeder Art (vor allem Psoriasis und Neurodermitis)

·    Unterdrückung von Warzen (besonders Verrucae Filiformes).

·    Unterdrückung von Fieber

·    Unterdrückung von Kinderkrankheiten

·    Unterdrückung von Absonderungen: Schweiß, Fluor, Milch, Menses oder Geschwüre Abszesse und Fisteln

·    Unterdrückung von vielen Krankheiten wie Erkältungskrankheiten, Rheuma, Gicht, Migräne, Tuberkulose, M. Pfeiffer oder Colitis ulcerosa

·    Unterdrückung von Krankheiten durch Bestrahlungstherapie

·    Operationen und Eingriffe oder Entfernung von Organen, wie:

-    Unnötige Appendektomien

-    Tonsillektomien und das Entfernen von Schleimhautpolypen

-    Hämorrhoiden- und Varizenverödungen

-    Laparoskopien, Ausschabungen, Abtreibungen, Sterilisation oder Hysteroskopien sind Manipulationen, die meist sykotische Aktivierung zur Folge haben.

Eingriffe in dieser Region können auch Brustkrebs auslösen, was die klinischen Erfahrungen von Burnett bestätigten, da Mammae und die Ovarien bzw. der Uterus eine synorganopathische Beziehung haben.

5.  Verletzungen (Schlag / Quetschung):
werden auch schon von Burnett als Auslöser für Brustkrebs beschrieben, wenn eine Frau mit hereditärer Tuberkulose oder mit hereditärem Krebs belastet ist. Häufig sind bei diesen Frauen in der gleichen Brust während der Stillzeit Brustabszesse anamnestisch zurück zu verfolgen.
Weitere Verletzungen wie Quetschung und Röntgenstrahlung der weiblichen Brust durch Mammographie, UV-Verbrennungen oder Verbrennungen durch Radiumtherapien sind nicht zu unterschätzen.

6.  Seelischer Kummer oder Schock
können Beschleunigungsfaktoren der Krebsentstehung sein. Hahnemann beschreibt in „Die Chronische Krankheiten“ die Aktivierung der Psora durch so genannten „Glücks-Wechsel“. Die aktive Psora kann dann die dreifach Kombination zum multi-miasmatischen Geschehen Krebs perfekt machen.

7.  Schwangerschaft
bedeutet für einen Organismus eine beträchtliche Belastung, unter der latente Miasmen aktiviert werden können, und es somit unter anderem auch zu einer Krebsentstehung kommen kann.

8.  Die iatrogene Krankheit
als medikamentöse Vergiftung und damit auslösendes Moment. Die kanzerogene Wirkung der Hormone ist nicht zu bestreiten, aber auch viele andere Pharmazeutika über Jahre hinweg eingenommen, können zur Krebsentstehung beitragen.

9.  Karzinogene Substanzen,
die von außen auf den Körper einwirken und somit eine andere Form der iatrogenen Krankheit repräsentieren.

·    Nikotin-, Alkohol- oder Drogenabusus

·    Toxische Substanzen wie Schwermetalle, DDT, Asbest, Formaldehyd, Benzol und viele mehr.

·    Veränderte Lebensmittel wie fluorisiertes Wasser, jodierte Lebensmittel, geräucherte, gepöckelte, konsevierte, gefärbte oder mit Aflatoxin belastete Nahrungsmittel.

Die klinische Erfahrung von Laborde zeigt, dass aus mehr als 200 Krebsfällen die häufigste Ätiologie des Krebsgeschehens eine Kombination der Punkte 1 – 7 war, und in wenigen Fällen der Punkt 9 zutraf, aber immer auf einem hereditär tuberkulinischen oder kanzerinischen Hintergrund. Das Terrain ist entscheidend: Die kanzerogenen Substanzen bekommen nur einen günstigen Boden zum Keimen, wie es Cooper schon beschrieb. Dies erklärt, warum nicht alle Menschen, die der gleichen toxischen Substanz ausgesetzt sind, Krebs entwickeln. Laborde sagt: „Krebs entsteht aus einer dreifachen miasmatischen Kombination plus das gewisse „Etwas“ und ist hereditär.“

Das heißt, dass jemand, der keine hereditäre Krebs- oder hereditäre Tuberkulose-Belastung hat, selten für Krebs anfällig sein wird. Bei der Behandlung von diesen hereditär belasteten Menschen muss man unbedingt daran denken, dass die Krebskrankheit stellvertretende Erkrankungen hat, die durch ihr Auftreten den Krebs verzögern oder eine Generation lang verhindern. Deshalb ist es essentiell für die Behandlung in der primären Miasmatik (Miasmatik der Vorfahren), nach diesen stellvertretenden Erkrankungen zu suchen (Auflistung siehe bei Laborde S.457).

Fallbetrachtung:

Mein Fall aus der Praxis: Herr M. 55 Jahre alt (geb. 1947). Von der Schulmedizin aufgegebener Fall. Kommt wegen faustgroßer Metastase im Retroperitoneum, multiplen Lymphknotenmetastasen des Urothelkarzinoms im Mesenterium und carcinomatöse Fettgewebsinfiltration pararektal links. Zustand nach radikaler Zystektomie und Uretersigmoidostomie wegen Urothelkarzinom der Harnblase am 18.07.01. Am 05.12 02 wurde eine Chemotherapie mit Gemcitabine und Carboplatin begonnen. Im weiteren stationären Verlauf verschlechterte sich der Zustand so stark, dass die Chemotherapie abgebrochen werden musste. 10.12.02 Dünndarmresektion, Ausräumung von interenterischen Abszessen, Anlage eines Transversostoma.

Der Patient wurde zur weiteren palliativen Versorgung durch den Hausarzt am 30.12.02 entlassen.

 

Primäre Miasmatik:

Mutter: Geb. 1921 mit 8 oder 10 J Gelbsucht, Hypertonie mit ca. 30 J., Herzinfarkt, Alterswarzen und Insulin pflichtiger Diabetes mellitus mit ca. 70 J.

Vater: Geb. 1921 seit seinem 14. Lj. starker Raucher mit 49 J. Herzinfarkt, mit 50 J. Bandscheibenvorfall operativ entfernt. Mit 78 J Apoplex, z.Z. beginnende senile Demenz.

Geschwister: Keine

Mutters Mutter: War herzkrank und verstarb mit 72 J nach einem Apoplex.

Mutters Vater: Verstarb auch mit 72 J., keine Angaben.

Mutters Geschwister: Der älteste Bruder verstarb mit 68 J. an Lungenkrebs.

Ein Bruder ist im Krieg gefallen.

Zum dritten Bruder besteht kein Kontakt.

Vaters Mutter: Magengeschwüre, Tod mit 70 J.

Vaters Vater: Wurde 80 J. und war nie krank.

Vaters Geschwister: Der älteste Bruder verstarb mit 82 J., er hatte es am Herzen.

Die Schwester ist mit 80 J. verstorben.

Der nächst jüngere Bruder mit 73 J.

 

Sekundäre Miasmatik:

Einjährig Pockenimpfung (weitere Impfungen außer Tetanus unbekannt).

Mit 3 J. Masern oder Windpocken (eher Varizellen, wegen späterer Gürtelrose)

Mit 4J. Appendektomie

Mit 8 J. stat. Krankenhausaufenthalt, da er wegen Schwäche im re. Bein nicht mehr laufen konnte.

Mit 14 J. Warzen li. Hand, Daumen u. kleiner Finger (persistierten bis er sie 90/91 mit konz. Schwefelsäure vertrieben hat)

Zu dieser Zeit begann er zu rauchen bis Dezember 2002 ca. 20 - 30 Zigaretten täglich.

Mit 21 J. Tuberkulose

Mit 24 J. Scabies

Mit 33 J. Hämorrhoiden, die irgendwann bluteten und danach weg waren.

Mit 37 J. Magengeschwür wegen Zwerchfellhernie.

Varizen

Sehr häufig Mandelentzündungen, 2 x stark vereitert mit gelb, grünem, schwarzem und stinkendem Eiter; er nahm dabei bis zu 15 kg ab, da er nichts essen konnte. 1989 TE danach keine Angina mehr (42 J.).

Arbeitet inzwischen als Chemiearbeiter und hatte innerhalb von 4 Jahren 3 Blutvergiftungen mit stationärem Aufenthalt und Antibiotika-Therapie.

Wundrose

Gicht Harnsäure erhöht seit 25 Jahren.

Der Patient trinkt regelmäßig und viel Alkohol.

Mit 46 J. schwerer Motorradunfall mit massiven Verletzungen, Quetschungen und Prellungen des Unterbauches.

Nierensteine vom langen Liegen nach Unfall.

Häufiger Blasenentzündungen.

Mit 47 J. Verlust seines Sohnes durch einen Motorradunfall.

1997 (mit 50 J.) werden Tumorzellen eines Urothelkarzinoms im Urin nach Nierenschmerzen festgestellt. Tumor wird nicht gefunden.

1998 Bursitis und Gürtelrose

1999 erneute Tuberkulose, danach Asthma.

2001 radikale Zystektomie und Uretersigmoidostomie wegen Urothelkarzinom.

2002 Chemotherapie musste nach kurzer Zeit abgebrochen werden wegen starker Verschlechterung des AZ.

2002 Dünndarm resektion, Ausräumung von interenterischen Abszessen, Anlage eines Transversostoma.

 

Miasmatische Analyse:

Hereditäre Sykosis und Syphilinie mit unterdrückter erworbener Psora.

Tuberkulose ist ein Krebsvorbote. Das Auftreten einer Tuberkulose in der Jugendzeit, gefolgt ein paar Jahre später von einem Tumor ist auffällig. In der Familienanamnese ist maskierter Krebs (Diabetes mellitus) zu finden. Cooper wies auf die Verbindung hin zwischen Blutvergiftung und Krebs. Ein seelischer Kummer lag auch vor. Burnett beschreibt die Entstehung von Brustkrebs nach Verletzung oder Quetschung in diesem Fall kam es zu einer starken Verletzung und Quetschung der Blase durch den Unfall. Sicherlich besteht auch das iatrogene Miasma, da seit diesem Unfall ein Schmerzmittelabusus und mannigfaltige Unterdrückungen existieren.

Und als „i-Tüpfelchen“ hat er 40 Jahre stark geraucht und ca. 15 Jahre mit toxischen Substanzen gearbeitet.

 

Mittelfindung:

Bei der Behandlung von Tumoren stehen verschiedene Wege zur Diskussion.

1.  Individuelle Symptome des Patienten:
Dieser Weg ist häufig nicht mehr möglich, da Patienten in Endzuständen meist weniger individuelle Symptome aufweisen.

2.  Individuelle Tumorsymptome:
Die Tumorsymptome sind keine „wertlosen Lokalsymptome“, sondern können entscheidend für die Mittelwahl sein. Im Einzelnen können das sein:

§   Schmerzen des Tumors (Lokalisation, Ausdehnung, Empfindung, Modalitäten, Begleitsymptome)

§   Empfindungen des Tumors (Empfindlichkeit, Taubheit)

§   Absonderung/Art der Absonderung des Tumors (blutig, eitrig, scharf, übelriechend etc.)

§   Aussehen und Konsistenz des Tumors (steinhart, livide)

§   Lokalisation des Tumors

§   Art des Tumors (Epitheliom, Carzinom etc.)

3.  Miasmatische und organotrope/tumorspezifische Mittel:
Wenn individuelle Symptome des Patienten oder des Tumors fehlen, empfiehlt sich die Vorgehensweise nach Burnett. Er kombinierte:

§   Eine antimiasmatische Behandlung meist mit der entsprechenden Nosode (Tuberkulinum/Baccilinum, Medorrhinum, Syphilinum, Psorinum) nach Analyse der miasmatischen Konstellation des Patienten und der Familie.

§   Eine Causa Behandlung wie Folgen von Impfung (Thuja), Folgen von mechanischem Trauma (Bellis perennis), oder organotrope Mittel.

§   Eine Behandlung des Tumors mit tumorspezifischen Mitteln (pathologisches Simile).

Bei dieser Behandlung gab er die antimiasmatischen Mittel und die Impfmittel in höheren Potenzen (C 200, CM) in selteneren Gaben (1 mal monatlich) und die tumorspezifischen und organotropen Mittel in tiefen Potenzen (Urtinktur, C 1) in häufigeren Gaben. Er wechselte die Mittel häufiger und gab gelegentlich zwei Mittel gleichzeitig (ein anti-miasmatisches und ein tumorspezifisches).

4.  Anwendung von Krebsnosoden (Carcinosinum, Scirrhinum) bei Tumoren. Zusätzliche Indikationen für den Einsatz einer Krebsnosode:

§   Häufiges Auftreten von Krebs in der Familie, hereditärer Krebs

§   Bei Krebsdiathese d.h. beim Auftreten von Krankheiten, die bei Laborde als larvierte oder latente Krebskrankheit bezeichnet werden. Bei untypischem Verlauf der Kinderkrankheit (alle gleichzeitig, keine, mehrfach Erkrankung der gleichen Kinderkrankheit oder Auftreten im Erwachsenen Alter).

§   Bei deutlichen Carcinosinum Symptomen.

§   Eine Symptomatik, die auf viele verschiedene Mittel hinweist.

In diesem Fall sind bei der Repertorisation die 2- und 3-wertigen Mittel der Krebsleiden aus der Rubrik Allgemeines vorn angestellt. Die sieben Mittel, die unter Blase Krebs zufinden waren, schienen unzureichend. Dann habe ich mich für die individuelle Symptome des Patienten entschieden, da diese sich in der fortgeschrittenen Krankheit auffällig stark geändert haben.

Folgende Symptome wurden repertorisiert:

1.   Allgemeines Krebsleiden

2.   Allgemeines, Krebsleiden, fortgeschrittenes Stadium

3.   Allgemeines, Mangel an Lebenswärme

4.   Frost, Schüttelfrost

5.   Frost, nach Kälteeinwirkung

6.   Allgem., Speisen u. Getränke, Essen Abneigung

7.   Allgem., Speisen u. Getränke, Alkohol Abneigung

8.   Allgem., Speisen u. Getränke, Kaffee Abneigung

9.   Allgem., Speisen u. Getränke, kalte Getränke verlangen

10.  Allgem., Speisen u. Getränke, Obst Verlangen

11.  Magen, Übelkeit, beim Essen

12.  Magen, Erbrechen beim Essen, plötzlich

Um die Behandlung zu beginnen, habe ich mich für Arsenicum Album (Ars.) entschieden. Obwohl Phosphorus besser durchläuft. Phos wird von Fortier-Bernoville als ein Mittel beschrieben, „...wenn die Entartung der Drüse und ihrer Kerne noch kaum begonnen hat.“ Grimmer schreibt: „Blasenkrebs ist eine sehr schwierige Krebsform“. Er empfiehlt unter anderen aber Arsenicum zur Behandlung von Blasenkrebs. Außerdem ist Arsenicum ein Mittel, das selbst Krebs hervorrufen kann, so ist auch Burnetts Forderung nach einem pathologischen Simile erfüllt. Was mir nicht gut gefällt ist, dass Ars. kein sykotisches Mittel ist, was bei einer Neoplasie nahe liegt. Ein sykotisches Mittel kann aber noch folgen. Ein weiteres schwieriges Faktum ist, dass der Tumor von außen weder sicht- noch tastbar ist und keine Tumormarker an das Blut abgibt.

Als Alternative oder Ergänzung, diesen Fall zu lösen, wurde ein Repertorisationsbogen mit den hereditären homöocancerinischen Hauptmitteln nach Laborde erstellt. Auch dieser Weg führte zu Arsenicum album.
Die Krebsnosoden Cancerinum und Scirrhinum treten dabei nicht in den Vordergrund.

 

Potenz und Dosierung:

Es gibt kaum ein Bereich in der Homöopathie, der so verschieden, so individuell gehandhabt wird, wie die Potenzhöhe und Dosierung. Die Erfahrung der meisten Homöopathen zeigt, dass es ratsam ist, bei Krebs die Mittel häufig zu wiederholen. Die Gefahren beim Einsatz von Urtinkturen (R.T. Cooper) wurden bereits aufgezeigt. Die Anwendung von Tiefpotenzen kombiniert mit hohen Potenzen wurden von Burnett für den Patienten als anstrengend beschrieben. Deshalb entscheide ich mich für die schonende LM-Potenz.

Arsenicum Album LM 12, I. Dilution 2x täglich.


III. Schlussbetrachtung:

Bei der homöopathischen Behandlung von Tumoren ist es für die Prognose wichtig, dass man möglichst früh beginnt. A.H. Grimmer (57 Jahre Praxis, über 1.000 Krebsfälle) schätzt, dass in frühen Stadien von Krebs 80% Heilung möglich ist, in Endstadien aber nur noch 10%.

Bei der Prognose spielen natürlich verschiedene Faktoren eine Rolle: miasmatische Belastung, Häufung der Cofaktoren (Impfung, Unterdrückung, Arzneikrankheit u.a.), Lebensweise und psychische Verarbeitung, Zeitpunkt und Intensität von Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung. Die Reaktion des Körpers auf die homöopathischen Mittel zeigt letztendlich aber erst, wie stark die Lebenskraft ist, wie weit Heilung, Linderung oder eben nichts mehr erreicht werden kann. So lange ein Patient noch lebt, kann niemand sagen, dass die Behandlung nicht hilft, und deshalb ist eine homöopathische Behandlung in jedem Krebsfall anzuraten. Was in jedem Fall notwendig ist, sind Zeit und Geduld. Tumore sind Produkte der Lebenskraft, d.h. sie entstehen via vitae und müssen auf vitale Weise geheilt werden, und dieser Vorgang benötigt Zeit. Dabei sollte man bedenken, dass ein Tumor meist lange Zeit besteht, bevor er diagnostiziert wird. Ebenso sind meist mehrere Mittel notwendig. Sehr selten reicht ein homöopathisches Mittel allein, um einen Krebsfall zu heilen. Diese Mittel werden entsprechend dem gewählten Weg, dem Heilungsverlauf und der aktuellen Symptomatik des Patienten gewählt. Das Auftreten von neuen, anhaltenden Symptomen indizieren in der Regel einen Mittelwechsel. Der Verlauf der Behandlung muss kontrolliert werden. D. Spinedi fasst es zusammen indem er sagt: “Wenn der Tumor (oder Tumormarker) kleiner wird (oder sich die Konsistenz verändert), hat unsere Therapie Erfolg; bleibt er stationär, dann hat unsere Therapie vielleicht Erfolg; wächst er, muss das Mittel falsch sein.“ (Zeitschrift für Klassische Homöopathie, 3/98, S. 101). Eine konsequente Weiterbehandlung ist auch nach einer deutlichen Besserung wichtig, denn die zugrunde liegenden Miasmen sind nicht so schnell ausgeräumt. Es ist möglich, dass Patienten, die falsch oder nicht weiter behandelt werden, neue Tumoren entwickeln können.

Eine Besserung des Allgemeinzustandes (Appetit, Gewicht, Gesichtsfarbe, Verdauung, Energie, Stimmung) sind tendenziell gute Zeichen, bedeuten aber nicht automatisch, dass der Tumor kleiner geworden ist. Die Besserung kann auch nur das Resultat einer Palliation sein. Heil- oder Ausscheidungsreaktionen (Schweiß, Durchfall, Abszesse, Hautausschläge oder Fieber) können im Behandlungsverlauf auftreten und dürfen nicht leichtfertig schulmedizinisch unterdrückt werden. Im Verlauf der Heilung können sich auch Symptome melden, die vor Ausbruch des Tumors bestanden haben. Auch hier kann eine Unterdrückung fatal sein. Doch diese Tatsache stellt ein Problem dar, denn die meisten Patienten lassen sich schulmedizinisch mitbehandeln, was nicht nur zu Unterdrückungen führen kann, sondern auch die Symptome verfälscht und die Prognose aus homöopathischer Sicht verschlechtert.

Dennoch ist eine homöopathische Mitbehandlung oder Nachbehandlung unbedingt ratsam, da Zahlen aus einer griechischen Studie (Zeitschrift für Homöopathie“, 3/98) eindeutig belegen, dass die 5-Jahres-Überlebensrate bei einer Kombination von Schulmedizin und Homöopathie signifikant höher ist, als bei einer alleinigen schulmedizinischen Tumorbehandlung.

Krebs ist zur Zeit die zweithäufigste Todesursache, laut WHO-Schätzung werden sich die Krebsneuerkrankungen in den nächsten 20 Jahren verdoppeln. Das bedeutet, unsere Patienten, unsere Angehörigen und auch wir werden noch mehr als bisher die Hilfe einer homöopathischen Krebsbehandlung brauchen.

Die sicherlich beste Lösung wäre es, wenn die Homöopathen lernen, eine Krebs-Prophylaxe bei ihren Patienten durchzuführen, sodass es gar nicht mehr zur Ausbildung von Tumoren kommt.

 

Abschließend ein Wort von J.H. Clark:

„Die Suche nach einem spezifischen Heilmittel, das alle Krebserkrankungen heilen könnte, ist einfach sinnlos. Die Individualisierung der Krebserkrankung, wie die Individualisierung jeglicher Krankheit, ist absolut notwendig“.

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